Corona-Pandemie und Vereinsleben
Konzerte, Veranstaltungen, Geselligkeit und das gemeinsame Musizieren stehen im Jahr 2020 leider ganz hinten an, die Kultur wird mehr denn je ein Luxusgut, wovon wir alle jahrelang profitieren konnten. Dies hat zur Folge, dass die Corona-Pandemie das Vereinsleben in allen Bereichen auf eine schwere Probe stellt. Für mich als Musiker und Dirigent bringt die Pandemie nicht nur Einschränkungen in meinem Hobby, sondern auch in
meinem Beruf. Keine Veranstaltungen bedeutet auch keine Konzerte und keine Auftritte.
Ich bin sehr froh, dass die Vorstandschaft des Musikverein Grafenau immer wieder versuchte, gemeinsam mit mir, musikalisch Lichtblicke auf die Beine zu stellen. Beim ersten Lockdown im März war es v.a. für mich ein sehr befremdliches Gefühl: Keine Auftritte, keine Proben, keine Termine – auf einmal war sehr viel Zeit für andere Dinge da. Der Lockdown traf mich von Null auf Hundert. Jedoch, ich habe diese Zeit sehr genossen – endlich mal Dinge tun, die seit Jahren zu kurz kamen, endlich mal neue Sachen ausprobieren und sich in neue Bereiche einarbeiten, zudem habe ich die Zeit auch tatsächlich intensiv zum Üben genutzt, denn leider fehlt mir, wie so vielen, im Alltag einfach die Zeit dafür. Doch allem neuen Luxus zum Trotz war irgendwann der Keller aufgeräumt, das Zimmer neu tapeziert und die Etüden der Trompetenschule auch irgendwie monoton. Man sehnte sich doch in seinen alten Alltag zurück.
Ganz langsam und vorsichtig tasteten wir uns in Grafenau in kleinen Ensembles an diesen Alltag ran – so konnte wenigstens ein bisschen gemeinsam musiziert werden, auch wenn die neuen Hygienebestimmungen doch sehr befremdlich waren, konnten wir
den Sommer, zwar ohne konkretes Ziel, dafür mit etwas Spaß und Abwechslung gut durchbringen.
Alle Hoffnung lag im Herbst, wobei eigentlich jeder wusste, dass der Winter nicht unbedingt die Situation verbessern wird. Ein Konzertprogramm vorbereitet, Aushilfen organisiert sowie eine Konzertmöglichkeit gesucht, welche es uns erlaubt mit genügend Abstand zu spielen. Doch die Situation spitzte sich nach und nach zu und auch die anfängliche Euphorie des Sommers war bei den Musikern nicht mehr zu spüren, ich konnte größere Ängste wahrnehmen und Unsicherheit machte sich breit – bis man sich dazu entschied den Probebetrieb erneut einzustellen. Wenige Wochen später wurde dann auch ein Teillockdown verhängt, welcher den Probebetrieb im Musikverein untersagte. Wie geht es nun weiter? Auf was soll man hinarbeiten? Ständig neue Formate und Konzepte entwickeln, die dann kurz vorher auf den Kopf gestellt werden? Wie lange halten die Musiker durch? Wer wird überhaupt zurückkommen? Wann kommt der Punkt, an dem wir sagen: Jetzt geht’s wieder los?
Für mich hat die Pandemie auch finanzielle Folgen: Wenn die Vereine, in denen ich tätig bin, wegbrechen, dann fehlt mir Einkommen – zumal es in vielen meiner beruflichen Feldern aktuell sehr schwierig ist. Ich bin in der glücklichen Situation, dass meine Arbeitgeber hier alle sehr sozial und kulant eingestellt sind, doch wenn ich diese Situation aus Sicht eines Vorstandes (ich bin 1. Vorsitzender des MV Bondorf) betrachte, dann weiß ich, dass dies keine endlose Lösung sein darf.
Doch meine Bedenken liegen in einem ganz anderen Bereich, den ich gerade selbst durchlaufe: Abgesehen von Geld und der neugewonnenen Zeit besinnt man sich doch in einigen Bereichen und denkt über sich und sein Leben mehr nach. Was „früher“ Alltag war und unabdingbar wird jetzt hinterfragt: Möchte ich denn noch so viele Auftritte spielen, möchte ich mich so sehr im Ehrenamt einbringen, was für einen Nutzen ziehe ich oder die Gesellschaft daraus und wo möchte ich meine wertvolle Zeit künftig investieren? Kann der Verein überhaupt wieder zu seinen alten Strukturen zurückfinden? Ich weiß es nicht und auch sonst niemand, jedoch kann man darüber nachdenken wie man die Zukunft verändern möchte. Ich bin auf einer Seite sehr traurig darüber und sehe, was uns aktuell aus der Hand gleitet und trotzdem sehe ich eine neue Chance etwas zu verändern, etwas Gutes aus dieser schwierigen Zeit zu machen – für sich selbst, aber auch für die Vereinslandschaft und die Gesellschaft, wie auch immer diese in zwei bis drei Jahren aussehen wird.