Vorgeschichte und Gründungsjahr 1978
Die Gemeinde Grafenau ohne ihren Musikverein? Kaum auszudenken. Doch das war nicht immer so selbstverständlich. Über viele Jahrzehnte gab es im kulturellen Leben der Döffinger und Dätzinger kaum volkstümliche Blasmusik.
In den 20-er Jahren existierte eine Kapelle mit acht bis zehn Musikern, die zu Fleckenfesten aufspielte, sich aber im Jahr 1939 wieder auflöste. Erst 1946 fanden sich wieder ein paar Musiker zusammen. Damals fungierte der Graf-Ulrich-Bau als Notunterkunft für Flüchtlinge aus Tschechien, Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern. Durch diesen Zuzug der Neubürger entstand die Tanzkapelle „Erika“, aus welcher einer der späteren Gründerväter des Musikvereins Grafenau Julius Dirr hervorging.
Doch die Vision eines richtigen Blasmusikorchesters spukte schon lange in den Köpfen einiger Grafenauer Bürger. Dies waren Kurt Brenner und Julius Dirr. Sie beobachteten schon seit Jahren die musikalische Szene im Ort. Sie knüpften Kontakte zu Musikvereinen der Nachbargemeinden sowie zum Kreisverband und warteten auf den richtigen Zeitpunkt. Dieser schien nach langer Vorbereitungszeit 1977 gekommen zu sein. Denn es bedurfte mehr als nur einer Hand voll Musikern, die im günstigsten Fall ein eigenes Instrument besaßen und beherrschten, um dieses große Unterfangen zu einem Erfolg zu führen. Unseren Gründervätern war klar, dass sofort mit intensiver Jugendarbeit begonnen werden musste, wenn die Kapelle eine Zukunft haben sollte. Dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, war nur mit starker Unterstützung der Gemeinde möglich. Schließlich musste man finanziell und materiell bei Null beginnen. In Bürgermeister Ewald Bien fanden sie einen tatkräftigen Mitstreiter. Seit der Gemeindereform 1972, die Dätzingen und Döffingen zur Gemeinde Grafenau einte, galt es für ihn, das Zusammenwachsen der beiden Ortsteile auch in den Köpfen und Herzen der Bevölkerung voranzutreiben. Ihm war klar, dass Grafenau durch diese kulturelle Bereicherung nur gewinnen konnte.
Im Oktober 1977 fanden Bürgermeister Ewald Bien, Kurt Brenner, Julius Dirr, Walter Franck, Friedrich Mohr, eine zur Patenschaft bereite Delegation der Feuerwehr-Musikkapelle Dagersheim, bestehend aus dem 1. Vorsitzenden Erich Götz, dem 2. Vorsitzenden Ambros Grammer und dem Kassier Hans Butsch sowie Raimund Wolf, stellvertretender Präsident des Deutschen Volksmusikerbundes aus Weil der Stadt zusammen und legten den Grundstein des Musikvereins Grafenau. In kürzester Zeit konnten zahlreiche musiktreibende und musikinteressierte Bürger aktiviert werden, sich dem Verein anzuschließen. Nun zahlten sich auch die bereits bestehenden Kontakte zu anderen Musikvereinen aus – viele Musiker boten sich an, in der schwierigen Startzeit musikalisch auszuhelfen, damit schnellstmöglich eine spielfähige Mannschaft zur Verfügung stünde. Durch die Gewinnung zahlreicher Spender und eine solide und vorausschauende Kassenführung gelang es, die ersten Noten und Instrumente anzuschaffen. Die Gemeinde stellte kurzfristig einen Übungsraum zur Verfügung. Von großer Bedeutung war die beratende Unterstützung der Dirigenten Josef Polster (Musikverein Magstadt) und Rudolf Lerch (Feuerwehr-Musikkapelle Dagersheim). Auf diese Weise konnte das nötige musikalische Fachwissen eingeholt werden, so dass im darauf folgenden Frühjahr tatsächlich feierlich die Gründungsversammlung abgehalten werden konnte.
In Eberhard Reißig konnte ein engagierter Dirigent und Jugendausbilder gefunden werden, der es sich zum Ziel setzte, die zahlreichen musikalischen Anfänger und Amateure in ein klangstarkes Orchester einzubinden. Die vom Gründungsausschuss im Vorfeld intensiv betriebene Musikerwerbung zeigte Erfolge. Ein kleines Ensemble von Musikern, dazu gehörten Helmut Brenner, Stefan Burgstaller, Julius Dirr, Ewald Dürr, Walter Franck, Anton Haberer, Herbert König, Kurt König, Josef Kral, Max Kronhöfer, Rudolf Ludwig, Friedrich Mohr, Adolf Mundinger, Walter Seiffert, Karl Spevak und Karl Völkl hielten unter dem Dirigat von Eberhard Reißig im Februar 1978 an verschiedenen Plätzen der Grafenauer Ortsteile Dätzingen und Döffingen kleine Platzkonzerte ab, um die Einwohner auf den neuen Verein neugierig zu machen. Kurz darauf luden die Gründerväter alle diejenigen Bürger und Bürgerinnen ins Feuerwehrhaus Döffingen, von denen bekannt war, dass sie Musik als Hobby betrieben oder daran interessiert waren, ein Instrument zu erlernen. Damit war der Grundstein gelegt.
Am 4. März 1978 fand die Gründungsversammlung des Musikvereins Grafenau im Graf-Ulrich-Bau in Döffingen statt. Der Abend wurde musikalisch umrahmt von der Patenkapelle, der Feuerwehr-Musikkapelle Dagersheim unter der Leitung ihres Dirigenten Rudolf Lerch. Bürgermeister Ewald Bien leitete die Versammlung und hielt eine feierliche Ansprache. Anschließend durften sich die Anwesenden in die Beitrittslisten eintragen. Unter großem Andrang konnten an diesem Abend bereits 62 fördernde Mitglieder und 29 aktive Musiker (davon 8 Jugendliche) in den Verein aufgenommen werden. Daraufhin folgten die ersten Vorstands- und Ausschusswahlen. Sie ergaben die folgende Ämtervergabe: 1. Vorsitzender Kurt Brenner, 2. Vorsitzender Friedrich Reichle, Kassier Franz-K. Oechsner, Schriftführer Willi Schäfer, Musikervorstand Friedrich Mohr, 1. Jugendleiter Herbert König, 2. Jugendleiter Eugen Eberhardt, Materialverwalter Reinhold Hesse, Notenwart Günther Brenner, Wirtschaftsbeauftragter Reinhold Groß, Vertreter der Aktiven Julius Dirr und Walter Franck und der Fördernden Willi Gehring, Paul Gauß und Rudolf Widmaier.
Nun konnten die frisch gewählten Funktionäre an die Arbeit gehen, denn es gab viel zu tun. Unverzüglich begann man, Jugendliche zu werben. Bereits im Mai fand der erste Elterninformationsabend statt. Ebenso wurden in den Schulen in Döffingen und Dätzingen Instrumente vorgestellt, um jugendliche Interessenten zu gewinnen. Trotz harter und erfolgreicher Verhandlungen mit der Fa. Radio Barth beliefen sich die Kosten der Erstanschaffung von Instrumenten auf sage und schreibe 42000 DM.
Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen für das 4-tägige Gründungsfest auf Hochtouren. Dabei zahlte sich die Erfahrung und das Organisationstalent des ersten Vorstandes Kurt Brenner aus. Die Festlichkeiten wurden ein voller Erfolg. Ganz Grafenau war auf den Beinen. Alle Grafenauer Vereine und viele befreundete Musikvereine schlossen sich dem Festzug an, der vom Graf-Ulrich-Bau im Ortsteil Döffingen bis zur Festwiese in den Ortsteil Dätzingen führte, und von unzähligen Grafenauer Bürgern, die die Straßen säumten, bejubelt wurde. Zu dieser Zeit hatten die Musiker des Musikvereins Grafenau noch keine Uniformen. Eine solche Investition war aus finanziellen Gründen noch nicht möglich gewesen. Jeder Musiker trug ein gelbes Hemd mit aufgenähtem Emblem, welches er selbst bezahlte. Begonnen hatte das Gründungsfest schon am Freitagabend mit der Pop-Band „Black and White“. Am darauf folgenden Samstag umrahmte unser Patenverein, die Feuerwehr-Musikkapelle Dagersheim, musikalisch den Festabend. Der Festsonntag begann mit einem ökumenischen Gottesdienst. Nach dem Festzug spielten Gastkapellen zur Unterhaltung auf und schwungvoll endete der Abend dann mit dem Musikverein Magstadt. Den Festausklang am Montag gestaltete wiederum musikalisch und mit tollen Showeinlagen unser Patenverein.
Ungewöhnlich schnell war es den Gründern gelungen, ein spielfähiges Orchester zusammenzustellen. Tatsächlich absolvierte die junge Kapelle bereits im Gründungsjahr ohne viel zu proben Auftritte wie die Umrahmung einer Meisterschaftsfeier beim TSV Döffingen, ein Frühschoppenkonzert beim Kleintierzuchtverein Döffingen, ein Weinfest beim Döffinger Liederkranz, sieben Geburtstagsständchen bei fördernden Mitgliedern und vieles mehr. Ebenso erhielt die Kapelle zahlreiche Gegeneinladungen befreundeter Vereine. Man kann daher ohne Übertreibung sagen, dass ein musikalischer Kavaliersstart von ungewöhnlicher Geschwindigkeit bewältigt worden war.
Den würdigen Abschluss des bedeutungsvollen und bewegten Jahres 1978 bildete eine vorweihnachtliche Feier, in deren Verlauf der 1. Vorsitzende Kurt Brenner die Männer der ersten Stunde mit einem Gründungszinnteller ehrte. Die Jungen und Mädchen der Jugendkapelle wurden mit kleinen Weihnachtsgeschenken überrascht. Dies sollte die Geburtsstunde einer bis heute währenden Tradition werden.