Fantasietraining für Konzertbesucher inbegriffen.
Dunkelheit senkt sich über den Grafenauer Wiesengrund. Alle Zuhörer haben Freunde und Bekannte begrüßt und ihre Plätze eingenommen.
Dirigentin Simone Bendig hebt ihren Stab und die angestaute Nervosität der jugendlichen Musiker kann endlich in musikalische Aktivität umgesetzt werden. Winnetou und Old Shatterhand reiten gemeinsam in den Sonnenuntergang. Die Filmmusik von Martin Böttcher bedurfte keiner Erklärung, wer hätte seine Jugend ohne diese beiden Helden verbracht? Nichtsdestotrotz war die ideenreiche, unterhaltsame Moderation der Titel durch Maike Meyer und Saskia Lauser eine echte Bereicherung.
Das Leitmotiv von „Ungarischer Tanz No. 5“ von Johannes Brahms war aktuell durch eine Citroen-C4-Automobilwerbung ebenfalls der Mehrheit des Publikums bekannt und hervorragend dargebracht, konnte jedoch nicht so viel Applaus einheimsen wie die mitreißende Liebesgeschichte zwischen John Travolta und Olivia Newton-John aus dem Kinofilm von 1978 „Grease!“ Dies war das erklärte Lieblingskonzertstück der Jugendlichen. Der entsprechend leidenschaftliche Vortrag verfehlte seine Wirkung auf die Eltern nicht und riss so manchen von den Sitzen.
Nach einem angenehm beschwingten Gruß an den berühmten Jazz-Trompeter Louis Armstrong genossen die Jungmusiker den ehrlichen Applaus des Saals. Die Leistungssteigerung des Orchesters war für alle Anwesenden deutlich hörbar und wurde durch dringende Zugabewünsche belohnt.
Wer nun voller Neugierde dem ersten Konzertteil des Großen Blasorchesters entgegen sah, konnte sich gleich auf mehrere fantasieanregende, lautmalerische Musikstücke freuen. Sandra Vietz führte wie immer kenntnisreich und elegant durch das Programm. Sie skizzierte für die Zuhörer kurz die Handlung von „Adventure“. Der Film selbst konnte dann mithilfe der musikalischen Unterfütterung durch das Orchester einfach im Geiste ablaufen. Etwas anspruchsvoller wurde diese Übung bei dem Tongemälde „Imagasy“. Dieses Wort verbindet die beiden Begriffe Imagination (Vorstellungskraft) und „fantasy“ (Fantasie). Hier gab Sandra Vietz dem Hörer keinerlei Handlung vor, sondern überließ das Finden der Bilder zu der emotionalen und kraftvollen Tonsprache des Komponisten ganz der Kreativität des Einzelnen.
Einen weiteren Schwerpunkt bildete eine typische Dreiecksgeschichte voll von Liebe, List und Intrigen inklusive Paraderolle für einen Friseur – die Ouvertüre zu „Der Barbier von Sevilla“ von Gioachino Rossini. Diese so spritzige Musik voller eingängiger und raffinierter melodischer Einfälle und lebhaften Rhythmen machte Rossini weltbekannt. Daher konnten auch Nicht-Opernkenner einige Leitmotive mitpfeifen. Opernliebhaber werden vielleicht mit Freude entdeckt haben, dass die Stuttgarter Oper den Barbier von Sevilla 2009 auf ihrem Spielplan führte.
Im zweiten Programmteil kam mit den „Glorreichen Sieben“ nochmal echte Spannung im Saal auf. Jedem notorischen Westernfan, der dank der zahlreichen Wiederholungen des deutschen Fernsehens diesen Spielfilm bereits unzählige Male genossen hat, musste beim Klang der Filmmusik von Elmer Bernstein das Herz aufgehen. Man konnte die Helden förmlich reiten sehen, fehlte gerade noch, dass man aufgrund der Staubwolken hätte husten müssen.
Weniger gelungen war der Beitrag „Queen in Concert“. Potpourries haben oft die Schwäche, alles ein bisschen und doch nichts richtig zu machen. Und wenn dann Blasmusik versucht, Rockmusik nachzuempfinden, ist das Ergebnis oft nicht ganz so glücklich, weil das Original einfach nicht zu schlagen ist.
Mit südamerikanischen Rhythmen näherte sich das Große Blasorchester dem Ende des Konzerts. Den Schluss zierte zu guter Letzt ein einbeiniger Seemann. Mit seinem unrhythmischen, stolpernden Schritt verunsicherte er auf humorvolle Art die Hörgewohnheiten des Publikums – ein toller Einfall! Fantasie muss man eben haben.